Bedeutung und historisch gewachsene Schwierigkeiten
Seit Jahren wird praktisch wöchentlich der Vertrieb von Versicherungsprodukten über Banken irgendwo medial gespielt. Da stellt sich doch die Frage: Wird das altbekannte Thema Bancassurance in letzter Zeit einfach nur vermehrt aufgewärmt oder braut sich hier tatsächlich etwas zusammen? Eines vorweg: Es sieht diesmal tatsächlich nach mehr Nachhaltigkeit aus.
Feststeht, dass eine wachsende Zahl an Banken dieses Thema derzeit in Angriff nimmt. Regelmäßig liest man von neuen Partnerschaften zwischen Banken und Versicherern oder Banken und Versicherungspools beziehungsweise InsurTechs. Zudem geht aus dem "Branchenkompass Banking 2019" der Beratungsgesellschaft Sopra Steria hervor, dass 31 Prozent der Banken in den kommenden drei Jahren zunehmend branchenfremde Dienstleistungen wie die Verwaltung und Vermittlung von Versicherungen in ihr Portfolio aufnehmen möchten. Ein Teil davon setzt auf Partnerschaften mit einem Versicherer - wie beispielsweise die ING mit der AXA. Die Mehrzahl derer, die derzeit in Bewegung sind, sucht jedoch offenbar bewusst die Unabhängigkeit und möchte auf ein breites Portfolio an Versicherern setzen. Versicherungspools wie Netfonds sind hier meist die erste Anlaufstelle.
Es steht aber ebenso fest, dass der Absatz von Versicherungen über Banken in der Masse noch nicht sichtbar zulegen konnte. Nicht nur das. Laut Statistik des GDV hat der Vertriebsweg Bank sogar von 2014 bis 2018 rund 10 % verloren - und das über alle drei Sparten (Leben/Kranken/Sach) hinweg. Daran wird deutlich, dass der viel zitierte Margendruck im Niedrigzinsumfeld sowie der Wille alleine offenbar nicht genügen.
Der Vertrieb von Versicherungsprodukten ist in der deutschen Bankenlandschaft - innerhalb gewisser Grenzen - seit Jahrzehnten etabliert. Beispielsweise blickt der Talanx-Konzern auf erfolgreich gelebte Partnerschaften mit der TARGOBANK, der Postbank und mehreren Sparkassen zurück. Im Zuge derer wurden vor allem Restschuldversicherungen sehr erfolgreich vertrieben. Bancassurance stellt in der Sparte Leben ohnehin einen wichtigen Vertriebskanal für Versicherer dar.
Banken auf der Suche nach neuen Ertragsquellen Das Wegbrechen klassischer Ertragsquellen im Niedrigzinsumfeld ist jedem Bankvorstand natürlich längst bewusst. Im Zuge der Corona-Pandemie hat sich dieser Prozess jedoch noch einmal beschleunigt. Zudem drohen offenbar Kreditausfälle in erheblichem Umfang, sollte es nach dem Auslaufen der staatlichen Corona-Hilfsprogramme ab Herbst zu einer Welle an Insolvenzen kommen. Banken waren es und sind daher nach wie vor gezwungen neue Potentiale zu erschließen. Bei den meisten lautete die Antwort zunächst, an der Gebührenschraube zu drehen. Ein bislang kostenfreies Girokonto kostete beispielsweise fortan 3,50 Euro im Monat. Auf den ersten Blick eine naheliegende Maßnahme, da sich Änderungen der Gebühren leicht umsetzen lassen. Nur: Den gleichen Ertrag könnte eine Bank auch erzielen, indem der Kunde beim Berater eine Rechtschutzversicherung abschließt oder einen bereits bestehenden Versicherungsvertrag in die Betreuung der Bank übergibt. Der Unterschied: In einem Fall ist der Kunde zufrieden. Im anderen aufgebracht und wird vielleicht sogar die Bank wechseln. Zudem: Der RoE liegt im Verkauf von Versicherungen für eine Bank derzeit rund 5 %-Punkte höher als im klassischen Bankgeschäft.
Um die Bancassurance zu einer nachhaltig Ertragsalternative auszubauen benötigt es jedoch neues Denken und neue Werkzeuge.
Kunden möchten Versicherungen gerne bei Ihrer Bank kaufen
Der Wunsch des Kunden ist dabei eindeutig. Für diesen nämlich gehören die Finanzthemen Bank und Versicherung zusammen. Er schätzt den Berater seines Vertrauens, der ihm aus einer Hand sowohl bei Bank-, als auch Versicherungsfragen weiterhelfen kann. Diese Einschätzung stützen auch mehrere aktuelle Studienergebnisse.
Auf den Anlass kommt es an
Als recht starre Beratungsanlässe für Versicherungsthemen dienten in der Vergangenheit vor allem der kreditfinanzierte Bau oder Kauf einer Immobilie sowie die Anlage von größeren Einmalbeiträgen im Versicherungsmantel. So stellte es für den Banker üblicherweise keine große Hürde dar, dem Kunden im Zuge des Abschlusses eines Kreditvertrages auch eine Restschuldversicherung anzubieten. Produkte der Wahl waren somit vor allem eben jene Restschuldversicherung, mitunter Risikolebensversicherungen und Rentenversicherungen gegen Einmalbeitrag. Allesamt Produkte der Sparte Leben. Besonders im Bereich Kranken und Sach bleiben somit bisher enorme Potentiale auf der Strecke.
Es verlangt nach neuen Ansätzen, um diese Produkte für die Bank ertragreich in den Beratungsprozess zu integrieren. Hierfür muss es der Bank gelingen die bekannten Themenwelten (beispielsweise Wohnen, Mobilität, Gesundheit, Beruf oder Freizeit und Reise) des Kunden besser zu besetzen. Die Bank muss in der Lage sein dem Kunden im richtigen Moment und am richtigen Ort ein für ihn passendes Angebot unterbreiten zu können. Ansätze liefert hier einerseits die häufig beschriebene Integration der Bank in ein bestehendes oder neues Ökosystem mit ergänzenden Dienstleistungen oder Produkten.
Darüber hinaus bietet die Zahlungsdiensterichtlinie PSD2 und in deren Folge entstandene Technologien zum Auslesen von Kontodaten aber auch völlig neue Möglichkeiten. Zunächst versuchten Banken die Richtlinie häufig zu torpedieren - sahen sie in ihr doch vor allem die Gefahr, dass Wettbewerber Informationen über eigenen Kunden erhalten würden und die Kundentreue in der Folge abnehmen würde. Doch wo es Risiken gibt, gibt es meist auch Chancen. So ermöglicht die PSD2 es Banken in der Kunden-App nicht nur klassisches Online-Banking anzubieten, sondern eben auch Fremdkonten zu integrieren. Mit Hilfe dieser Technologien können Kontodaten von Fremdbanken oder auch eigenen Konten ausgelesen und daraus Gesprächsanlässe identifiziert werden. Zudem können intelligente Algorithmen vorhandene Versicherungen erkennen und daraus Potentiale wie Lücken, Bestandsübertragungen oder Tarifoptimierungen ableiten. Banken verfügen über einen enormen Datenschatz, von dem Versicherer oder Makler nur träumen können. Diesen gilt es zu nutzen.
Mit der DIN 77230 gibt es zudem erstmals einen allgemein akzeptierten Standard für die Analyse der privaten Finanzsituation. Eine solche Finanzanalyse nach DIN liefert aus Erfahrung einen hervorragenden Gesprächsanlass, um Kunden für eine ganzheitliche Beratung an den Banktisch zu bewegen. Der Bankberater hat hier das gute Gefühl, sich vom singulären Produktverkauf zu verabschieden und dem Kunden eine hochwertige, transparente und normierte Analyse seiner finanziellen Situation zu bieten. Dabei ergeben sich ganz automatisch zahlreiche Anknüpfungspunkte für Versicherungsthemen. Für Kunden wiederum bringt die Norm das gute Gefühl und die Sicherheit, eine fachlich standardisierte Grundlage für die eigene Finanz- und Vermögensplanung zu erhalten und dabei auf die Qualität der DIN vertrauen zu können.
Gerade in Zeiten, in denen Filialnetze ausgedünnt werden und der persönliche Kontakt zum Kunden oftmals zur Seltenheit wird benötigt es Instrumente zur Kundenbindung. DIN ist ein nachweislich ausgezeichneter Anlass für ein Gespräch. Bei dem auf DIN-Beratungstechnologie spezialisierten InsurTech ePrimus berichtet man von einer Steigerung der Provisionserlöse bei Banken von bis zu 162% durch den Einsatz der DIN-Beratung.
Digitalisierung hilft dabei Hürden zu überwinden
Kritiker der Bancassurance weisen zumeist auf erhebliche kulturelle Differenzen zwischen Versicherern und Banken hin. Einerseits sind diese berechtigt und müssen im Rahmen einer gemeinsamen strategischen Planung gelöst werden. Andererseits basieren diese Differenzen aber auch auf dem Faktor Mensch, welcher im digitalen Umfeld eine deutlich geringere Bedeutung hat.
Die Bereitschaft des Kunden zur Nutzung des Online-Kanals ist dafür die Voraussetzung - und diese ist laut zahlreicher Erhebungen durchaus vorhanden.
In diesem Zusammenhang lässt sich feststellen, dass Kunden ihrer Bank vermehrt online begegnen. Die Corona-Pandemie hat dies sogar noch einmal deutlich beschleunigt. So geben mittlerweile 75 Prozent der Deutschen an, digitale Bankingdienste zu nutzen. Neben der Videoberatung haben hier vor allem Online-Self-Services enorm an Bedeutung gewonnen. Digitale Selbstberatungslösungen stoßen bei beachtlichen 43 Prozent der Befragten auf Offenheit, wie die neue-leben-Marktstudie „Online-Verhalten 2020“ belegt. Die Volksbank Dammer Berge setzt hier auf die Technologie von ePrimus, mit der Kunden eigenständig einen Online-Beratungsprozess nach DIN-Kriterien durchlaufen können.
Rund die Hälfte der Deutschen wünsche zudem im Online-Banking bestehende Versicherungsverträge einsehen, verwalten sowie neue abschließen zu können. Dabei ist den Kunden wichtig, dass das persönliche Verhältnis zum Berater nicht darunter leidet und dieser jederzeit für eine Beratung hinzugezogen werden kann. Der neue-Leben-Studie zu Folge haben die Deutschen auch bei beratungsintensiven Produkten wie einer Renten- oder Berufsunfähigkeitsversicherung keine Bedenken vor einem Online-Abschluss - in Teilen würden sie diesen vielmehr sogar bevorzugen. Banken bietet das die Chance, mittels passender Technologie unterschiedliche Kundensegmente mit einer Mischung aus Online- und Offline-Komponenten zu betreuen. Dies ist einerseits stärker kundenorientiert und andererseits auch für die Bank kostensparender.
Wir haben eine Kunden-App! Und nun?
Eine App alleine ist auch im Falle der Bank nicht das Allheilmittel. Das Stichwort lautet digitaler Versicherungsordner mit Bestandsstaubsauger. Im Zuge der ersten InsurTech-Welle hat sich schließlich gezeigt, dass eine App bei Versicherern bestenfalls ein Feigenblatt war und bei InsurTechs kein zukunftsfähiges Geschäftsmodell dargestellt hat.
Für Bankberater ist die vergleichsweise hohe Komplexität von Versicherungsprodukten eine vertriebliche Hemmschwelle. Häufig mangelt es an Fachwissen oder Zeit, um neben klassischen Bankprodukten auch passende Versicherungstarifen aus der umfangreichen Produktpalette auszuwählen. Abhilfe schaffen hier individuell auf die Bank zugeschnittene Schulungskonzepte, wie diese von speziellen Dienstleistern bei Banken und Sparkassen umsetzt werden. Denn neben der Schulung von Produkt- und Beratungskompetenz ist auch ein fortlaufender Erfahrungsaustausch für den nachhaltigen Erfolg unabdingbar.
Ein weiterer wichtiger Punkt in der Kooperation von Bank und Versicherung bzw. Versicherungspool ist der begleitende Beratungs- und Produktservice. Bankberater haben im Alltag zwei Optionen: Sie beraten das Thema eigenständig oder fordern je nach Gesprächssituation Unterstützung durch einen Versicherungsexperten des Partners an. Diese Unterstützung kann ein Versicherungsexperte sein, der vor Ort das Beratungsgespräch führt oder aber themenbezogen per Videochat zugeschaltet wird. Wichtige Unterstützung erhalten Bankberater zudem vom Innendienst des Versicherungspartners, welcher im Rahmen komplexer Beratungsgespräche beispielsweise Produktvergleiche vorbereiten kann oder sich um die Abwicklung des Antrags kümmert.
Mit Hilfe solcher Schulungskonzepte oder Unterstützung durch Experten, sollte es selbst im Rahmen der heutigen tradierten Beratungsanlässe - also ganz ohne die Chancen der oben genannten PSD2-Technologien - möglich sein, erhebliche Mehrumsätze im Versicherungsgeschäft zu realisieren. Die Immobilienfinanzierung ist eines der Haus- und Hof-Themen der Bankberatung. Zur Finanzierung wird hier häufig eine Restschuldversicherung mitverkauft. Es sollte jedoch ebenso zum Pflichtprogramm eines Bankberaters gehören, eine Risikolebensversicherung zur Absicherung des Darlehens im Todesfall und eine Berufsunfähigkeitsversicherung, ein Krankentagegeld und eine Pflegeversicherung zur Absicherung des Darlehens im Falle der Arbeitsunfähigkeit mit anzubieten. Oder den Bauherren über die Deckung bestimmter Risiken im Rahmen einer Bauherrenhaftpflichtversicherung aufzuklären. Und wie wäre es mit der Wohngebäudeversicherung für die frisch von der Bank finanzierte Immobilie? Wenn die Bank zudem nicht an einen Exklusivpartner gebunden ist, sondern als Makler oder Mehrfachagent auftreten darf, ergeben sich zudem lukrative Potentiale im Rahmen einer Bestandsübertragung bestehender Versicherungsverträge.
Ganz allgemein ist die wichtige Lebensentscheidung über den Erwerb einer Immobilie aber doch ein idealer Ansatzpunkt, um dem Kunden eine Finanzanalyse nach der bereits zitierten DIN 77230 anzubieten. Ein naheliegender Schritt, da Kunde und Berater im Rahmen der Finanzierung ohnehin gezwungen sind einen detaillierten Überblick über Einnahmen, Ausgaben und Lebenssituation zu erstellen.
Plug-and-Play ist in der Bank fehl am Platz
Die Bancassurance ist kein Plug-and-Play Geschäft, bei dem die Bank sich einfach an eine Plattform andocken kann, dem Kunden eine App gibt und darauf vertraut, dass "das schon irgendwie laufen wird". Wie bereits skizziert, kann Bancassurance nur dann nachhaltig und erfolgreich funktionieren, wenn das Thema Versicherung inhaltlich und technisch eng in der Bank verzahnt ist und zudem vom Vorstand bis zum Service-Mitarbeiter mit Überzeugung getragen wird.
Der Versicherungspartner - sei es ein Versicherungsunternehmen oder aber ein Versicherungspool als Serviceplattform - muss eine Vielzahl an Feldern besetzen und zuverlässig darstellen können. Wenn das Potential der Bancassurance künftig ausgeschöpft werden soll erfordert es
situativ passende Produkte (belegbar hohe Qualität, günstiger Preis),
technische Lösungen, die dem Mitarbeiter eine reibungslose Integration des Versicherungsthemas in den Beratungsprozess ermöglichen, Zugang zu Beratungsanlässen (beispielsweise über automatisiertes Auslesen von Kontodaten oder die hochwertige und ganzheitliche Beratung nach DIN 77230
sowie individuell zugeschnittene Schulungskonzepte, um Berührungsängste abzubauen.
Als abschließendes Plädoyer für die ernsthafte und nachhaltige Ausschöpfung der Potentiale der Bancassurance bleibt festzustellen: Die Einbindung von Versicherungen in die Bankberatung schafft nicht nur Zusatzeinnahmen, sondern erhöht auch die Kundentreue und schützt somit bestehende Verträge vor Kündigungen. Die Bancassurance kann dazu beitragen Arbeitsplätze zu sichern und manch eine Filiale vor der Schließung zu bewahren.
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