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Interview: Vorstand Dr. Uwe Stuhldreier von der HUK24 über das das Scheitern der Plattformökonomie in der Versicherung

«Ökosysteme stellen die Geschäftswelt auf den Kopf – und machen das Leben leichter». Diese Aussage tätigte Philipp Gmür, zu diesem Zeitpunkt CEO der Helvetia, bei einem Interview im Jahre 2018.


„Warum haben digitale Plattformmodelle, bei denen Versicherer nicht nur Policen verkaufen, sondern auch als Vermittler zwischen Kunden und anderen Dienstleistern agieren, in der Versicherungsindustrie bisher noch nicht den durchschlagenden Erfolg?“


Jahrelang wurden in der Versicherungsindustrie Ökosysteme und Plattformansätze als das Top-Thema der unternehmensinternen Innovation gesehen, welche einen Umbau der Geschäftsmodelle durch die Integration von Partnerleistungen hin zu mehr Profitabilität möglich machen sollten. Nun findet sich aber dieses Thema immer weniger auf der Agenda vieler CXO. Während sich einige Anbieter längst vollständig aus dem Thema zurückgezogen haben, suchen andere weiter nach dem Erfolgsschlüssel. Ökonomisch sinnlose Ökosysteminitiativen, bei denen die potenziellen Einnahmen in keiner Relation zum Aufwand stehen und die Einnahmen zudem niemals einen nennenswerten Beitrag im Verhältnis zum Versicherungskerngeschäft erbringen können, werden zunehmend kritisch hinterfragt. Doch noch ist es zu früh, den endgültigen Abgesang auf die Plattform-Ökonomie anzustimmen.


Aber der Misserfolg hat seine Gründe und lässt sich insbesondere an drei Dimensionen festmachen:


1. Kundenzentrierung


Ökosysteme funktionieren durch den Focus auf Kundenzentrierung und werden damit zum Problemlöser des Kunden. So basieren große Digitalkonzerne wie Amazon, Apple oder Google ihre Erfolge darauf, dass sie zum Problemlöser für den Kunden geworden sind und klare Mehrwerte geschaffen haben (Professor Wolfgang Henseler). So müssen sich die Ökosystem-Ansätze der Versicherer immer daran messen lassen, ob sie tatsächlich Mehrwerte schaffen und Problemlösungen für den Kunden bieten. Dies ist bisher aber nur in den seltensten Fällen gelungen. Fazit 1: Jedes Versicherer-Ökosystem muss aus Kundensicht ein überlegenes Werteversprechen geben, das einem ausreichend großen und relevanten „problem to solve“ entspricht (besteht ein Kundenbedürfnis, was bisher noch nicht gelöst wurde?). Dauerhafte Vorteile gegenüber dem Angebot des Einzelanbieters sind dabei elementar.


2. Marke


Gerade in Branchen, in denen es Unternehmen schwerfällt, das Herz der Kunden zu erobern (wie Assekuranz), haben Ökosysteme einen schweren Stand. So besagt auch eine sehr interessante und aktuelle Forschungshypothese von Professor Nils Hafner, dass eher utiliaristische Branchen nicht unbedingt prädestiniert für die Rolle des Orchestrators eines Ökosystems sind. Daher besteht die Vermutung, dass nur ganz wenige Versicherungsmarken, die absoluten Top of Mind Versicherer, die Kraft besitzen, ein Ökosystem zu orchestrieren. Fazit 2: Nicht jeder Versicherer ist in der richtigen Position, um Ökosysteme zu betreiben. Denn ein Orchestrator benötigt nicht nur eine starke Investitionskraft, sondern vor allem auch ein sehr großes Markenvertrauen der Kunden. 


3. Digitalisierungsgrad/Technologie


Ökosysteme und Plattformgedanken erfordern einen hohen Digitalisierungsgrad und den direkten Kundenzugang. Vielen Versicherern fehlt bisher aber eben dieser digitale Kundenzugang schon im Kerngeschäft, was den Erfolg erheblich erschwert. Warum sollte ein Versicherungskunde, der bisher nicht digital mit seinem Versicherer agiert, plötzlich dessen digitales Ökosystem nutzen? Fazit 3: Wer im Kerngeschäft nicht „Digital First“ denkt und vom Kunden auch als digitale Marke wahrgenommen wird, wird sich in Zukunft mehr als schwer tun.


Ökosysteme sind immer noch Neuland für die Versicherer, daher muss Zeit und Geld eingeplant werden. Aber viel zu oft werden Konzepte aus Unternehmens- und nicht Kundensicht gedacht. Dabei ist gerade Kundenzentrierung die entscheidende Grundlage für den Erfolg von Ökosystemen. Viele sprechen von Kundenzentrierung, aber handeln nicht danach. Nur wenige Versicherer verfügen über eine ausreichend starke Marke und einen hinreichenden Digitalisierungsgrad, um ein Ökosystem zu orchestrieren. Für viele andere wird es besser sein, diese Rolle an andere zu delegieren.




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